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Wie alles begann..

Wie alles begann /..oder auch: der 1. Blogartikel auf dieser Plattform :-)

Ich war schon immer gut darin, anderen zu helfen. Sei es nun praktisch oder mental. Von klein auf versorgte ich alle um mich herum und lernte früh, mich unentbehrlich für die Kaffeetafel, den Umzug oder einfach den ersten Liebeskummer zu machen.

Nachdem ich bereits während meiner Schulzeit jede Ferien im örtlichen Altenheim verbracht hatte, stand nach dem Abitur für mich fest, dass ich einen sozialen Beruf ergreifen würde. Am liebsten wäre ich Altenpflegerin geworden, aber nach zahlreichen innerfamiliären Diskussionen studierte ich Hauswirtschaft und katholische Religion auf Lehramt. 

Doch Lehrerin im deutschen Schulsystem zu sein, war nicht das, was ich wirklich wollte, das fand ich schnell heraus. Ich verbrachte dann 6 Jahre völlig branchenfremd in einem Unternehmen für IT-Schulungen und übernahm sehr zügig die Bundeswehr als Großkunden. Wieder zeichnete sich ab, dass ich kein Problem mit schwierigen Situationen hatte und mich schnell auf die Bedürfnisse meiner Kunden, meiner Trainer und meines Unternehmens, für das ich tätig war, einstellen konnte. 

In dieser Zeit brachte ich auch meine Tochter zur Welt. Ich war zufrieden, aber die Hauswirtschaft fehlte mir. Bei Freunden und in der Familie “lebte ich mich aus” und verwöhnte meine Mitmenschen wie immer schon nach Strich und Faden. 

Ende 2016 wurde ich erneut schwanger und verlor dieses Baby im Frühjahr 2017. Ich funktionierte zwar noch, aber ausschließlich für meine Tochter. Sobald es nicht mehr um sie ging, war ich über Monate wie tot. Meine Umwelt verstand nicht, warum ich nicht mehr weitermachte wie vorher. Und ich verstand nicht, wieso ich mich gerade jetzt so alleingelassen und unverstanden fühlte. Ich hatte doch immer alles für jeden getan. Warum tat jetzt niemand etwas für mich? 

Ich fühlte mich wie das einzige schwarze Schaf in einer riesigen weißen Schafherde. Alle blökten mich an, “wieder die Alte zu werden” und je wütender und fordernder das Blöken für mich wurde, desto mehr entfernte ich mich.

Über eine Therapie, zur der mich meine Hebamme drängte, wurde mir klar, dass ich mein ganzes Leben lang meine Anerkennung und meinen Lebenssinn im Außen gesucht hatte. Ich war unfähig mich selbst zu heilen und hatte darauf gebaut, dass mir durch meine Außenwelt auch dann noch genug Aufmerksamkeit zuteil werden würde, wenn ich nicht funktionierte.

Doch ich durfte lernen, dass ich mich nur selbst aus dieser Lage herausholen konnte. Langsam und Schritt für Schritt machte ich mich auf die Reise zu mir selbst, fand ein Licht in mir und entdeckte einen neuen Grund für mein Tun. Auch mein Kind an der Hand wurde ein wichtiger Grund für mein Umdenken, denn tief im Inneren wusste ich, dass sie nur gedeihen kann, wenn es mir gut geht. Ich stellte alles auf den Prüfstand. Niemand außer mein Kind blieb verschont und so verabschiedete ich mich von vielen Menschen, meinem Job, meinem alten Lebensstil und meinen alten Denkmustern. Ich hörte auf, alles um mich herum stets reparieren und heil machen zu wollen und kümmerte mich um mich. Ich beschloss, das zu tun, was ich liebte. Mit jedem Schritt auf mich zu, wurde der innere Kritiker, der mich mahnte, nicht so egoistisch zu sein, leiser und leiser. Ich verlor jegliche Zukunftsangst, denn die Zukunft gibt es nicht.

Es gibt nur das Jetzt.

 

Ich bekam sofort eine Leitungsstelle in einem Altenheim und tat einfach das, was mir gut tat. Ich übernahm den Spüldienst für Mitarbeiterin xy, wenn mir danach war oder las den Bewohnern aus der Zeitung vor. Ich führte so, wie ich auch mich selbst zu führen begonnen hatte und steckte zahlreiche Mitarbeiter an, unsere Lebenszeit auf der Arbeit aus einer anderen Perspektive zu sehen. Aus einem Haus und 2 Teams, wurden 2 Häuser und 3 Teams.  9 Monate nach meinem Stellenwechsel begutachtete ich ein Hospiz in der Nähe von Düsseldorf und öffnete mir damit Tür und Tor für meine Tätigkeit als trägerinterne Fachberatung. Zu Spitzenzeiten führte ich 6 Teams über eine Entfernung von 80km. Ich bekam Gelegenheiten, an Budgetierungs- und Controllingrunden teilzunehmen und konnte so immer mehr Einfluss auf die Entscheidungen nehmen, die für meinen Fachbereich Hauswirtschaft zur Debatte standen. Mein Fokus lag nie auf dem “was tut ihr da?” sondern immer auf dem “warum tut ihr das?” und weil ich Menschen so tief bewegen konnte, kamen stets mehr und mehr meiner Kollegen auf mich zu und baten mich um Rat bei Führungsthemen und den eigenen “Schattenseiten”. Im Spätsommer 2019 unterzog ich mich bewusst einer Pause, um herauszufinden, ob meine Motive noch stimmten. Und ich bin so dankbar und glücklich, nun zurückzukehren.

Aus dem kleinen Licht in mir ist eine Flamme geworden, die sich nicht mehr auf einen Träger oder auf einen hauswirtschaftlichen Bereich beschränken kann. Ich weiß, wie wir unsere Branche nachhaltig verändern können und werde dieses Wissen nun in die Welt hinaustragen. Denn diese tollen Menschen, die in Heimen und Kitas kochen und reinigen, die sehr oft mehr als nur ihren Job tun, müssen gesehen werden und sollen die Freude erfahren, die ich aus meiner Tätigkeit “des Dienens” erfahren konnte.

 

Wäre ich nicht so tief gefallen, wäre ich wohl ein weißes Schaf geblieben. Sehr sicher wäre ich über meinen Trieb, zu gefallen, ausgebrannt oder verbittert. So tief meine Trauergefühle auch waren. Sie haben Platz gemacht für sehr viel tiefere Gefühle der Freude und der Dankbarkeit.

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Kommentare: 1
  • #1

    Stefan (Mittwoch, 10 Juli 2024 21:07)

    Sehr berührend...auch wenn das Leben uns nicht immer die einfachsten Tage beschert, so bietet es doch immer wieder Raum für einen Neuanfang .
    Das Herz ist da der beste Taktgeber.